Ästhetische Bildung und kulturelle Teilhabe in der frühen Kindheit zur Stärkung von Future Skills – das sind die fünf Knacknüsse

5.06.2020

Die READY!-Koalitionsmitglieder Migros-Kulturprozent und Hochschule der Künste Bern HKB setzen sich mit der gemeinsamen Initiative Lapurla seit 2017 für eine Förderung der ästhetischen Bildung und kulturellen Teilhabe von Kindern auf nationaler Ebene ein.

Akteure, die sich für die Förderung in der frühen Kindheit einsetzen, sehen sich mit ähnlichen Herausforderungen konfrontiert. Am Podium von Lapurla mit Vertretenden aus den Bereichen Kultur, Bildung und Soziales, standen diese denn auch im Fokus. Die Co-Leiterinnen von Lapurla – Jessica Schnelle (Migros-Kulturprozent, Direktion Kultur und Soziales, Projektleiterin Soziales) und Karin Kraus (Hochschule der Künste Bern HKB, Studienleiterin und Dozentin), über die fünf, aus ihrer Sicht grössten Knacknüsse.

1. Freiräume schaffen
Lapurla setzt sich dafür ein, dass Kinder früh kulturelle Institutionen als vielfältige Sinneswelten erkunden können, um so Zukunftskompetenzen wie Kreativität und Selbstwirksamkeit zu stärken. Damit unterstützt Lapurla ein nationales Anliegen von zentraler, gesellschaftlicher Relevanz (vgl. Fokuspublikation Ästhetische Bildung und Kulturelle Teilhabe – von Anfang an! sowie die Studie Future Skills). Kreativität wird durch Ausprobieren und Experimentieren gefördert. Dafür braucht es entsprechende Freiräume, wo Expressionsfreiheit gilt und auch Betreuende bezüglich ihrer Erwartungen ergebnisoffen sind. Solche Freiräume sind in der Schweiz nach wie vor rar, es braucht ein gesellschaftliches Umdenken zugunsten kreativitätsorientierter Bildungsansätze.

2. Kultur als Chance erkennen
Die Chancen, die sich für die frühe Förderung im Bereich Kultur ergeben, müssen erkannt werden. Kulturelle Institutionen und Kulturakteure bieten für die Kreativitätsförderung eine optimale Spielwiese. Die Initiative Lapurla setzt sich darum dafür ein, dass eine frühkindliche ästhetisch-kulturelle Bildung selbstverständlich wird, sowohl in Kinderbetreuungseinrichtungen, wie auch an Kulturorten. Eine begleitende Haltung ist dafür zentral.

3. Starre Trennung der Institutionen überwinden
Ko-kreative, interdisziplinäre Projekte haben es hierzulande oft schwer. Gerade die Förderung in der frühen Kindheit umfasst aber verschiedenste Bereiche, von der Bildung über die Gesundheit bis hin zur Kultur und sozialen Integration. Klassische Strukturen und Denkformen müssen darum überwunden werden. Dies betrifft auch die frühpädagogischen Einrichtungen: Das Potential interdisziplinärer Ansätze kann nur ausgeschöpft werden, wenn sich Kitas und Co. breit vernetzen und mit Akteuren aus Kultur, Bildung und Gesundheit zusammenarbeiten.

4. Eltern einbinden
Die Erwartungen der Eltern an betreuende Fachpersonen sind hoch und sehr unterschiedlich, was es nicht einfach macht, neue Ideen umzusetzen. Lapurla, das einen ergebnisoffenen Ansatz verfolgt, appelliert auch an die Eltern zur Offenheit gegenüber Neuem. Die Erfahrung zeigt, dass es nicht reicht, neue Förderansätze zu erklären, sondern sie müssen erlebbar gemacht werden. Gemeinsam mit Praxispartnern der Modellprojekte und in Familienangeboten sollen Eltern zukünftig vermehrt erfahren dürfen, wie genussvoll es sein kann, sich mit dem Kind im Hier und Jetzt auf Unbekanntes einzulassen. Und sie staunen, wie viel Kreativität von Kindern selbst kommt und wie begeistert diese sind, wenn man sie einfach ausprobieren lässt. Das stärkt die Beziehung zum Kind und ins Vertrauen darauf, dass es seinen Weg machen wird. Als besondere Herausforderung erweist sich auch hier die Erreichung der Familien aller sozio-ökonomischen Felder.

5. Verantwortlichkeiten und strukturelle Rahmenbedingungen schaffen
Damit Bestrebungen für die kulturelle Bildung in der frühen Kindheit nicht Engagements einzelner Personen oder Einrichtungen bleiben, müssen strukturelle Rahmenbedingungen und Verantwortlichkeiten geschaffen und Förderstrukturen auf behördlicher Ebene definiert werden. Hier ist neben der Bildungs- und Sozialpolitik auch die Kulturpolitik gefragt, damit entsprechende politische Verantwortlichkeiten entwickelt werden können. Lapurla engagiert sich durch Dialog und anhand exemplarischer Good Practice für eine lösungsorientierte Zusammenarbeit von Bund, Kantonen und Gemeinden.

Autorin: Fanny Anderson, Migros-Kulturprozent, Direktion Kultur und Soziales


Über Lapurla
Lapurla wurde 2017 vom Migros-Kulturprozent und der Hochschule der Künste Bern HKB initiiert, um kreative Freiräume für Kinder von 0–4 Jahren zu schaffen. Die nationale Initiative will erreichen, dass junge Kinder in Kulturinstitutionen willkommen sind: Der Besuch eines Museums oder Konzerts sollte so natürlich sein wie der Ausflug auf den Spielplatz. Dafür braucht es vermehrt kleinkindgerechte kulturelle Bildungsformate in der Schweiz.

Lapurla setzt die Handlungs- und Entwicklungsempfehlungen der Fokuspublikation «Ästhetische Bildung und kulturelle Teilhabe – von Anfang an» um. Durch die Verknüpfung mit dem berufsbegleitendem Weiterbildungslehrgang CAS Kulturelle Bildung werden wertvolle Synergien geschaffen, um die interprofessionelle Zusammenarbeit zwischen Bildung, Kultur und Sozialem zu stärken.

Sowohl die UN-Kinderrechtskonvention als auch die Kulturbotschaft des Bundes 2016–20/2020–24 verlangen, dass Kinder ab Geburt am kulturellen Leben teilhaben. Darum liefert die Initiative Lapurla entsprechende Ansätze und Modellprojekte. Die Co-Leiterinnen Jessica Schnelle und Karin Kraus werden von einem Beirat unterstützt. Lapurla befindet sich in der Pilotphase. Bereits konnte eine Vielzahl an Praxis- und Netzwerkpartnern aus den Bereichen frühe Kindheit und Kultur gewonnen werden.

Das Lapurla-Podium vom 18. November 2019 zum Nachschauen
Warum es dringend eine Kultur(politik) der frühen Kindheit für die unabdingbare Qualität frühkindlicher Bildung braucht, und welchen Beitrag Lapurla leisten kann, diskutierten die Podiumsgäste:

• Thomas Beck, Direktor Hochschule der Künste Bern HKB
• Hans-Ulrich Glarner, Leiter Amt für Kultur, Erziehungsdirektion des Kantons Bern
• Hedy Graber, Leiterin Direktion Kultur und Soziales, Migros-Genossenschafts-Bund
• Renata Rotem, Bereichsleiterin Kitas Stadt Bern, Direktion für Bildung, Soziales und Sport
• Myriam Schleiss, Leiterin Kulturelle Teilhabe, Bundesamt für Kultur BAK

Die von Cornelia Kazis moderierte Podiumsdiskussion ist mit einzelnen Kapitelmarken zum Nachschauen und -hören aufbereitet. Sie gibt wertvolle Impulse und Denkanstösse für Fachpersonen, Politik, Behörden und Gesellschaft.