Fachkräftemangel in Kitas wird durch den Personalmangel in Schulen verstärkt

8.08.2022

Die Schweiz leidet an einem akuten und sich akzentuierenden Fachkräftemangel in familienergänzenden Bildungs- und Betreuungsorganisationen. Grund dafür sind vor allem die schlechten Arbeitsbedingungen und die notorisch hohen Personalfluktuationen, was sich zusätzlich auch negativ auf die pädagogische Qualität auswirkt. Erschwerend kommt nun ein neues Problem hinzu, nämlich der Lehrermangel an den Schulen. Angesichts der besseren Arbeitsbedingungen im Schulbereich entscheiden sich aktuell viele Fachkräfte aus dem Frühbereich für einen Karrierewechsel, was die Situation der Branche noch verschlimmert.

Überall in der Schweiz werden zurzeit händeringend Lehrerinnen und Lehrer gesucht. Allein im Kanton Zürich fehlen aufs neue Schuljahr hin mehrere hundert Lehrpersonen. Die Gründe sind vielfältig: Pensionierungen, Teilzeitpensen, Zunahme von Schülerinnen und Schülern. Dazu kommt, dass sehr wenige neue Lehrerinnen und Lehrer ausgebildet werden. Um auf dieses Problem zu reagieren, haben die Kantone unterschiedliche Lösungen entworfen. So setzt beispielsweise der Kanton Zürich ab dem neuen Schuljahr bei 7,5% der Klassenlehrpersonen auf nicht voll qualifiziertes Personal.
Diese Lösung hat Auswirkungen auf andere Bereiche: Fachkräfte aus Betreuungsberufen wechseln in die Lehrerbranche und hinterlassen somit grosse Lücken im Kitabereich. Dieses Problem wird noch dadurch verschärft, dass durch die Pandemie die Personalfluktuation im Betreuungsbereich zugenommen hat, wie die sechste Covid-19-Umfrage von kibesuisse kürzlich gezeigt hat. Die Ergebnisse zeigen, dass die bereits notorisch hohe Personalfluktuation in der Branche im Vergleich zu vor der Pandemie (Vergleichsjahre 2018/2019) bei knapp einem Drittel der rund 1500 antwortenden Organisationen nun noch höher ist.

Interesse an Beruf bleibt gross, viele Lehrstellen können aber nicht besetzt werden

In den letzten 10 Jahren hat sich die Zahl der Jugendlichen, die sich für eine Lehre als Fachfrau oder Fachmann Betreuung entscheiden, mehr als verdoppelt. Und trotzdem gibt es in diesem Bereich noch immer viele freie Lehrstellen. Grund dafür ist die ungebrochen hohe Nachfrage nach Betreuungsplätzen in den Kitas, was einen ständigen Ausbau der Plätze und somit von Fachpersonal bedingt. Der qualitative Ausbau hinkt dabei dem quantitativen hinterher. Der Knackpunkt ist der Betreuungsschlüssel: Aktuell müssen sich zu wenig Betreuende für längere Zeit gleichzeitig um zu viele Kinder kümmern. Dies hat Auswirkungen auf die pädagogische Qualität und widerspricht den fachlichen Empfehlungen.
Spätestens seit der Pandemie gilt die familienergänzenden Kinderbetreuung als «systemrelevant». Auf diese Anerkennung müssen jedoch Massnahmen folgen. Die Verbesserung der Rahmenbedingungen und eine umfassende Qualitätsentwicklung sind dringend angezeigt, um qualifizierte Fachkräfte für die Branche zu gewinnen und diese auch in der Branche behalten zu können. Nicht von ungefähr kommt auf politischer Ebene einiges in Bewegung: Mit der parlamentarischen Initiative der Bildungskommission des Nationalrates sollen neben der finanziellen Entlastung der Eltern im frühkindlichen Bereich auch Investitionen in die pädagogische Qualität getätigt werden. Die parlamentarische Initiative befindet sich bis am 7. September in der Vernehmlassung.

Weitere Informationen: Musterantwort Vernehmlassung PaIv 21.403